Gendertraining
Brot für die Welt veröffentlicht einmal im Monat auf ihrer Website Blog-Beiträge von den Freiwilligen aus den unterschiedlichen Ländern und Projekten in die sie entsenden. Im Juni war ich nun auch dran einen Beitrag zu schreiben und ich habe mir als Thema die Gendertrainings ausgesucht, die zu der Zeit gerade stattgefunden haben. Er ist zwar nicht mehr ganz aktuell, aber ich dachte mir, dass ich ihn trotzdem auch nochmal mit euch teile.
Wer sich dafür interessiert, wie es den anderen Freiwilligen so geht und was sie machen, der kann gerne auf der Brot-Website vorbeischauen. Da gibt es einige spannende Beiträge zu lesen und auch die Blogs der Anderen verlinkt.
5:30 Uhr, mein Wecker klingelt. Am liebsten würde ich mich
nochmal ins Bett kuscheln, weil es draußen empfindlich kalt ist. Trotzdem stehe
ich auf, um mir schnell noch einen Kaffee zu machen, bevor der Strom heute
ausfällt.
Normalerweise haben wir den Vormittag keine festen Termine,
weil wir das Jugendzentrum erst nachmittags, wenn die Kinder aus der Schule
kommen, öffnen. Wir nutzen die Zeit zur Planung, Organisation und
Weiterentwicklung des Jugendzentrums. Aber heute findet eines der seltenen
Gendertrainings an einer der umliegenden Schulen statt. Während ich mit dem
Kaffee auf unserer Terrasse auf Jeff - den Projekt Officer und Moderator der
Trainings - warte, geht hinter den Bäumen die Sonne auf, begleitet von einem
Konzert aus Vogelgezwitscher, dem Meckern von Ziegen und ein paar Hähnen, die
den Morgen begrüßen, vermischt mit dem entfernten Donnern der Kohletrucks, die
in den frühen Morgenstunden ihre Arbeit beginnen.
Als Jeff, meine Mitfreiwillige Charlotte und ich nach einer
halben Stunde Fahrt an der Schule ankommen, werden wir zu unserer Freude schon
erwartet und können pünktlich mit dem Training beginnen. Das Thema für das heutige Training ist early
pregnancy and marriage, also Schwangerschaft und Verheiratung von Teenagermädchen.
Das ist in Zambia, insbesondere in den ländlichen Gebieten mit viel Armut,
leider immer noch ein großes Problem.
Wie immer beginnt das Training offiziell mit einem Gebet und
einleitenden Worten von dem Schulleiter, danach ist der förmliche Teil aber
auch schon vorbei. Jeff ist es sehr wichtig, dass wir keine Lehrer sind,
sondern "facilitators" und dass die Schüler offen und frei mit uns reden und
eigene Gedanken und Ideen beisteuern können. Das finde ich sehr gut, weil der
Unterricht sonst oft sehr streng und nur frontal abläuft. Auch wenn wir es noch
nie mitbekommen haben, wird an dem Verhalten der Kinder deutlich, dass Schlagen
sowohl zuhause als auch im Unterricht nicht unüblich ist.
Anfangs sind die Schüler noch etwas schüchtern, aber mit
seiner lustigen, lockeren Art schafft Jeff es schnell ihr Vertrauen zu gewinnen
und sie zur Mitarbeit anzuregen. Das Training besteht aus einer Mischung aus
Fakten bzw. Hintergrundinformationen (wie z.B. wie sich der Körper bei
Jugendlichen verändert) und Gruppenarbeiten, bei denen die Schüler überlegen,
wodurch sie beeinflusst werden, was dann eventuell zu einer frühen
Schwangerschaft oder Ehe führen kann. Bei den Jungs sind die Antworten ähnlich
wie man sie sicherlich auch in Deutschland hören könnte, aber bei den Mädchen
sind es auch heute wieder andere Gründe. Einer der Hauptgründe ist Armut bzw.
Vernachlässigung durch die Eltern des Mädchens. Wenn die Eltern zu arm sind um
dem Mädchen Geld für Essen oder Schulgebühren zu geben oder sich einfach nicht
gut um sie kümmern, dann kann es vorkommen, dass das Mädchen sich einen Freund
(oder mehrere) sucht, der ihr das Geld oder die fehlende Aufmerksamkeit gibt.
Es kann aber auch sein, dass das Mädchen sich die Haare flechten lassen oder
schickere Kleidung haben möchte, um auf dem Schulhof und unter ihren Freundinnen
besser dazustehen und dafür mit jemandem schläft, der ihr das bezahlt. Was für
mich stark nach Prostitution klingt, erzählen die Mädchen so, als wäre es total
normal und alltäglich. Sicherlich gibt es viele Mädchen, die so etwas niemals
machen würden, aber zumindest ist es allen bewusst, dass es quasi eine „Option“
ist und ich denke, dass viele zumindest schon mal in diese Richtung
angesprochen wurden und entsprechende Angebote bekommen haben.
Nach der Mittagspause sind Charlotte und ich dann dran. Wir
erzählen ein bisschen darüber, wie die Situation in Deutschland ist und wie mit
dem Thema umgegangen wird. Außerdem versuchen wir zu erklären, warum dies in
Deutschland kein so ein großes Problem ist, was gar nicht so einfach ist, denn
eine richtige Antwort haben wir darauf auch nicht.
Im letzten Teil des Trainings versucht Jeff die Schüler dazu
zu motivieren, bewusste und gut durchdachte Entscheidungen für ihr Leben zu
treffen und zu diesen dann auch deutlich zu stehen. Und bei Problemen
Unterstützung und Hilfe bei den Vertrauenslehrer*innen oder anderen
öffentlichen Stellen zu suchen, statt Geld von Fremden anzunehmen.
Fazit des Trainings: Es liegt in der Hand jedes einzelnen
Menschen, wie er sein Leben leben möchte, aber man sollte sich immer, bevor man
eine Entscheidung trifft bewusstmachen, welche Auswirkungen diese Entscheidung
auf einen selbst, die Familie und auf die Zukunft hat oder haben könnte.
Nach neun anstrengenden, aber erfolgreichen Stunden, geht es
wieder zurück nach Hause. Das Training hat heute wieder viel Spaß gemacht und
ich hoffe, dass die Schüler etwas davon mitgenommen haben und das Gelernte an
ihre Freunde weitergeben.
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