Gender-Trainings an umliegenden Schulen
Vorletzte Woche waren Clara und ich ausnahmsweise einmal vollzeitbeschäftigt, sogar über-vollzeit, wenn man es genau nehmen möchte, und das, obwohl wir das Jugendzentrum nicht einmal geöffnet haben.
Wie das geht? Nun, alle paar Monate veranstaltet unser Projekt Trainings in den umliegenden Schulen zum Thema Gleichberechtigung der Geschlechter. Hauptfokus ist dabei der Kampf gegen Kinderehe und Teenager-Schwangerschaften, welche in der Region sehr häufig vorkommen u
nd oftmals zum Schulabbruch der betroffenen Mädchen führen. Durch geeignete Präventionsmaßnahmen versucht unser Projekt, dem zuvorzukommen und klärt Schülerinnen und Schüler, sowie Eltern und Lehrerinnen und Lehrer über die Folgen von verfrühten Schwangerschaften und Heirat auf.
Insgesamt haben wir in dieser Woche fünf Gendertrainings an fünf Schulen mit jeweils 20 Schülerinnen und Schülern im Alter von 15 bis 18 Jahren durchgeführt. In verschiedenen Einheiten ging es um Fragen wie "Was ist Gender (im Unterschied zum sexuellen Geschlecht)?", "Wie können Jungen und Mädchen sich gegenseitig respektieren?", "Wie können benachteiligte Mädchen geholfen werden?" und "Was ist die Rolle der Frau in der Bibel (da die Kirche für viele Sambier eine klare Autorität ist)?"
Letztendlich ging es in jedem Punkt um eine Stärkung der Rolle der Frau auf allen Ebenen des Lebens und ein Verständnis für die Notwendigkeit für mehr Gleichberechtigung. In einer Kultur, in der Frauen traditionell dem Mann untergestellt sind und sich um den Haushalt und die Kinder zu kümmern haben, während der Mann arbeitet und sich vor niemandem rechtfertigen muss, ist das verständlicherweise ein sehr kontroverses Thema. Ich fand es sehr beeindruckend, wie Jeff auf teilweise sehr provokante Fragen vonseiten der Schüler eingegangen ist und sie zum Nachdenken angeregt hat.
Ein Beispiel: Traditionell bekommt jeder Junge zum Geburtstag eine Kuh geschenkt, sodass er bei Volljährigkeit seine eigenen Rinder züchten, Geld verdienen, eine Frau finden und für sie den Brautpreis an ihren Vater entrichten kann. Jeffs Frage war nun, warum nicht auch Mädchen Vieh geschenkt bekommen. Wäre es nicht besser, auch ihnen eine Grundlage für ihre Existenz zu gewähren? Müssen nicht auch Frauen Geld verdienen, um ihre Familie unterstützen zu können?
Die Antwort der Jungen (und der Fairness halber auch mancher Mädchen): Frauen können sich nicht um Vieh kümmern.
Dieses Argument zog jedoch nicht, da es in der Gruppe mehrere Mädchen gab, die sich sehr wohl um das Vieh ihrer Eltern kümmern müssen.
Das zweite Argument: Weil Mädchen durch die Heirat von der Familie entrissen werden und das Vieh somit nicht in der Familie bleibt.
Auch dieses Argument ließ sich jedoch entkräften, da gerade Männer sich durch ihre Heirat von ihrer Familie trennen und ihr Vieh mitnehmen. Frauen hingegen fühlen sich tendentiell eher ihren Eltern verpflichtet und sorgen weiterhin für ihr Wohlergehen. Lässt man das Argument also gelten, sollten sogar eher Mädchen als Jungen Vieh geschenkt bekommen.
Auf diese Weise wurde das traditionelle Rollenbild aufgebrochen und die Schülerinnen und Schüler zur Reflektion über ihre Kultur und ihr eigenes Verhalten angeregt.
Zum Ende jedes Trainings hatten auch Clara und ich die Gelegenheit für eine Kurzpräsentation. Nach einem kurzen Energizer ("Let me see your Funky Chicken") stellten wir die Lage zur Gleichberechtigung von Frauen in Deutschland vor. Dabei versuchten wir, das Bild eines in Deutschland lebenden Mädchens zu zeichnen, welches von den Institutionen Gesellschaft, Schule und Familie geformt und beeinflusst wird. Wir fragten die Schülerinnen und Schüler, zu was für einer Frau dieses Mädchen einmal heranwachsen werde und sie waren sich einig, dass dieses Mädchen einmal eine selbstbewusste, starke Frau werden würde, welche in der Erziehung ihrer Kinder nicht zwischen dem Geschlecht unterscheidet. Dieses Mädchen, so die Hoffnung, die wir den Schülerinnen mitgeben wollten, könnte auch jede von ihnen sein und damit ließen wir unseren Vortrag enden. Zum Schluss wurden wir dann noch mit Fragen über Deutschland gelöchert, von dem Schulsystem über Lieblingsessen bis hin zu teilweise sehr persönlichen Fragen.
Eine Frage, die mir noch im Gedächtnis geblieben ist und die wir meinem EMpfinden nach nicht zureichend beantworten konnten, bezog sich auf die vergleichsweise niedrige Zahl von Teenager-Schwangerschaften in Deutschland. Zum Vergleich: im Jahr gibt es in den Schulen, die wir besucht haben, etwa fünfzehn Schwangerschaften, die meisten bei Schülerinnen der achten und neunten Klasse.
Es scheint widersprüchlich, dass in einer Kultur, in der Sex ein Tabuthema ist und Geschlechtsverkehr vor der Ehe als anrüchig gilt, es zu mehr ungewollten Schwangerschaften kommt, als in einer Gesellschaft, deren legerer Umgang mit diesen Themen zeitweise zu viel Kopfschütteln konservativerer Parteien führt. Vielleicht ist es eine Folge der Aufklärungskampagnen, die bei uns zuhauf durchgeführt werden oder der leichte Zugang zu Antikontrazeptiva. Vieleicht ist es aber auch gerade die gesellschaftliche Gleichmut, mit der sexuelle Handlungen betrachtet werden, die Jugendliche dazu veranlasst, vernünftig über ihre eigenen Verhaltensweisen nachzudenken.
Auf jeden Fall waren diese Trainings hochinteressant und haben mir, neben einer gesunden Portion Respekt für Jeffs Arbeit, viel Stoff zum Nachdenken gegeben.
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Ein paar weitere Impressionen aus den Gender-Trainings...
Drama der Maamba Secondary School "Saying NO!"
Jeff mit Schülerinnen und Schülern der Maamba Mine Secondary School |
Jungen können auch fegen! -Maamba Secondary School |
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